Dieser Beitrag wurde stammt aus dem Uloop-Magazin im Interview mit Iris Lange-Fricke. Sie können das Original hier lesen.
Das Herz ist der Motor des Körpers und versorgt den ganzen Körper mit Blut als Pumporgan. Wichtig ist, dass es gesund bleibt. Wie das geht, hat uns Dr. Simone Henne, Internistin und Kardiologin aus Hamburg in einem Interview verraten.
ULoop Magazin: Welchen negativen Einfluss hat unser Lebensstil auf die Herzgesundheit und das Herz-Kreislauf-System? Welche Erkrankungen gibt es, die durch einen negativen Lebensstil entstehen können?
Es gibt viele Faktoren, die unsere Herzgesundheit negativ beeinflussen. Ein ganz neuer Einfluss unseres Lebensstils ist ein fehlender Rhythmus im Leben. Ich erlebe immer mehr jüngere Patienten mit rhythmologischen Herzerkrankungen. Das ist eine der neusten Entwicklungen unserer Gesellschaft. Besonders junge Menschen erleben häufig viele Extraschläge bis hin zu echten Herzrhythmusstörungen. Oft kann ich schon helfen durch Erläuterung der Zusammenhänge zu Regelmäßigkeit und Rhythmus im Leben. Sowohl Schlaf- und Wachrhythmus sowie eine Regelmäßigkeit in der Ernährung und Bewegung
Dann gibt es natürlich noch die klassischen “Wohlstandserkrankungen”, die sich in unserer westlichen Gesellschaft entwickelt haben. Zahlen belegen, dass koronare Herzerkrankungen, wie die Arteriosklerose weltweit ansteigen. Schon die asiatischen Länder, die mittlerweile das westliche Essen mit viel Fastfood angenommen haben, merken verstärkt einen Anstieg an fettleibige Menschen und daraus resultierende Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese entstehen durch eine Aufnahme von ungünstigen Fetten, Fast Food, viel Zucker, Fertiggerichte und wenig Bewegung. Dieses Verhalten bildet eine wesentliche Säule in der Entstehung von Verkalkung der Gefäße, schlechte Durchblutung des Herzmuskels, ein Stopp der Durchblutung und schlussendlich kann es zu einem Herzinfarkt kommen.
Eine andere Erkrankung des Herzens, die ich häufiger sehe, ist die Herzmuskelentzündung. Das hat zum einen etwas mit dem Erregerspektrum zu tun und zum anderen auch wieder mit unserem Rhythmus. Insbesondere sind leistungsorientierte Menschen gefährdet, die sich nicht erlauben zu entspannen, wenn sie erkältet sind oder eine Grippe haben. Diese setzen sich stark unter Druck oder haben Angst vor einer Gewichtszunahme, wenn sie mal zwei Wochen kein Sport machen können. Diese Menschen rennen fluchtartig sowohl im Berufsleben und auch im Privaten und finden weder mentale noch körperliche Ruhe. Ihnen fehlt die Regenerationszeit. Ein ganz einfacher “Merksatz” ist: In dem Moment, in dem man im Rahmen einer Erkältungskrankheit eine Tablette schlucken muss, um arbeiten zu können sollte man sich Gedanken machen, ob das wirklich gut ist für den eigenen Körper.
Welche Folgen auf die Herzgesundheit haben diese Erkrankungen?
Die Arteriosklerose der Herzkranzarterien führt zu einer verschlechterten Sauerstoffversorgung des Herzmuskels. Dadurch wird er insuffizient (funktioniert nicht mehr richtig) und es kann zu einem schlechten Pumpvermögen des Herzens kommen. Bis hin zu einer Verstopfung einer Arterie und dann eben zu dem Herzinfarkt, der daraus resultiert, dass ein Teil des Herzmuskels regelrecht abstirbt. Dieser Teil bekommt schlecht Sauerstoff und ist unterversorgt und kann keine Pumpleistung mehr erbringen. Dadurch entsteht eine reduzierte körperliche Belastbarkeit. Lange vor einem Herzinfarkt, kommt es jedoch zu einer Gefäßversteifung. Dadurch entsteht Bluthochdruck und das fördert z. B. das Risiko für Schlaganfälle und rhythmologische Erkrankung. Bei den Rhythmuserkrankungen, von Extrasystolie bis zu Vorhofflattern oder – flimmern, kann es so unrhythmisch werden, dass der Alltag durch die mangelnde regelmäßige Pumpkraft des Herzmuskels beeinträchtigt ist.
Bei welchen Anzeichen sollte man zum Arzt gehen? Welche Faktoren gibt es die eine Aussage über ein Risiko für die Herzgesundheit sagen können?
Bei den rhythmischen Störungen merkt man es relativ schnell, durch ungleichmäßige Schläge. Bei den koronaren Herz-Kreislauf-Erkrankung ist die Erkennung viel schwieriger. Es gibt natürlich Vorboten, wie beispielsweise wenn man bei einer körperlichen Belastung starken Druck auf der Brust mit oder ohne ein Ausstrahlen im linken Arm spürt. Aber wenn das schon bemerkt wird, ist der Prozess des Sauerstoffmangels des Herzmuskels schon relativ weit fortgeschritten. Eine langsam sich entwickelnde Arteriosklerose nimmt man selten wahr. Ein Hinweis bei Männern kann eine erektile Funktionsstörung sein. Da die Penisarterie noch kleiner ist als das Herzkranzgefäß, zeigt sich hier noch schneller eine durch verengende Arteriosklerose bedingte Funktionsstörung. Aufmerksam werden sollte man auch, wenn insgesamt die Belastbarkeit schlechter wird und dies nicht immer einfach nur aufs Alter schieben. So kann das Treppensteigen schwerer fallen oder dass man schlechter Luft bekommt, wenn man dem Bus hinterherläuft. Klassische Risikofaktoren beim Arzt sind erhöhte Cholesterinwerte, eine entsprechende Familienanamnese, Nikotingebrauch und einen erhöhten Blutdruck sowie Blutzuckerspiegel. Das alles kann die Gefäße schädigen. Deswegen ist eine Vorsorgeuntersuchung ab 40 Jahren sinnvoll. Sind eine oder mehrere Faktoren auffällig, sollte auch das Herz, z. B. mit einem Belastungs-EKG, genauer untersucht werden. Aber so weit soll es ja gar nicht erst kommen. Deswegen ist der erste Detektor eine Blutentnahme und eine anständige Anamnese um herauszufinden, gibt es Lifestylefaktoren die dazu führen können.
Wie kann man die Herzgesundheit positiv beeinflussen?
Eine gesunde Ernährung ist da besonders wichtig. Also viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, frische Kost, mageres Fleisch, Milchprodukte, Fisch, Hülsenfrüchte, gesunde Pflanzenöle, Nüsse, Wasser etc. Ganz einfach kann man sagen: Alles mit ZU ist nicht gut. Essen wir von den Speisen zu viel oder zu wenig ist das nicht gut. Es ist okay auch mal Schokolade zu essen, in die Eisdiele oder in die Burgerbude zu gehen. Das schädigt auch nicht. Wir haben ja einen Körper, der auf Aggressoren reagiert und Reparaturmechanismen zur Verfügung hat. Wenn wir ihn aber überlasten mit Aggressoren wie z. B. freie Radikale, dann klappt es irgendwann nicht mehr allen Müll weg zu transportieren. Wichtig für eine herzgesunde Ernährung ist es, einen bewussten Blick zu bekommen was einem gut tut und wie es kombiniert wird. Die Dosis macht das Gift.
Für die Gefäßgesundheit ist auch eine ausgewogene Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen gut. Aber ich bin kein Fan von Nahrungsergänzungsmitteln. Das kann man in unseren Breitengraden alles über die Nahrung gut bekommen. Folsäurehaltige Lebensmittel sind für die Gefäßgesundheit besonders gut. Auch Vitamin C ist empfehlenswert und ein Radikalfänger, denn freie Radikale greifen unsere Gefäßinnenhaut an. Genauso ist Kalzium auch sehr wichtig für den Herzmuskel. Bei den Herzrhythmusstörungen ist besonders das Kalium und Magnesium gut, weil es den Ruhepuls des Herzens stabilisieren kann. So wird der Puls durch Kalium ruhiger und gleichmäßiger werden wirken. Unser herzgesundes Frühstück ist ideal für einen guten Start in den Tag.
Zweiter Punkt, der mit der Ernährung Hand in Hand gehen soll, ist die Bewegung und der Sport. Und auch hier macht auch die Dosis das Gift. Anfänger oder Untrainierte sollten nicht gleich zum Marathonläufer werden. Es soll eine regelmäßige Bewegung sein und muss Spaß machen. Bei vielen ist es so, dass sie ganz engagiert ins Fitnessstudio gehen und dann bricht es nach einige Wochen wieder ab. Das bringt es leider nicht. Viele Studien zeigen, dass dreimal die Woche ein Ausdauersport á 40 bis 60 Minuten auf relativ niedriger Pulsfrequenz optimal ist. Aber die Erfahrung zeigt, nur wenige Menschen schaffen das wirklich dauerhaft in den Alltag zu integrieren. Deswegen empfehle ich, erst einmal langsam aber regelmäßig anzufangen und sich schrittweise an mehr Bewegung zu gewöhnen. Lesen Sie in den zwei Artikeln mehr dazu: Warum ist Sport und Bewegung so wichtig? Welcher Sport ist für mich geeignet und wie fange ich an?
Um den Herzmuskel und die Durchblutung zu trainieren, ist ein moderates Ausdauertraining zweimal die Woche und einmal Krafttraining ideal. Wer es genau wissen will, wie die optimale Trainingsintensität und Pulsfrequenz ist, empfehle ich konkrete Messungen beim Sportmediziner (Spiroergometrien + Laktatmessungen). So bekommt man Auskunft über die optimale Herzfrequenz, die bei jedem individuell und anders ist. Aber auch schon die Bewegung im Alltag ist wichtig und sollte aktiv sein. Kommen Sie aus der Komfortzone raus, nehmen Sie jede Treppe, gehen Sie zu Fuß oder fahren Sie mit dem Fahrrad zur Arbeit. Dabei sollte man auch mal aus der Puste kommen und belastet werden. Die Kombination aus Bewegung und gute Ernährung ist optimal, um diesen lebenswichtigen Muskel fit zu halten. Die Gefäße bleiben glatt und geschmeidig. Es fördert die Durchblutung bis hin zu Gefäßneubildung.
Stress ist natürlich auch ein Faktor. Das sollte man nicht außer Acht lassen. Stress verursacht einen hohen Adrenalinspiegel, also hohe Stresshormonepegel. Diese verstärken den radikalen Stress und damit haben wir eben noch mehr Angriffe auf unsere Gefäßinnenhaut. Wenn die Haut innen ganz glatt und wohlbehalten ist, hat Cholesterin viel weniger eine Chance sich abzulagern, als auf einer spröden Oberfläche. Stress führt auch zu Bluthochdruck, der selbst wiederum die Gefäße schädigt bis hin zu Herzmuskelschädigungen. Dabei sind besonders Entspannung und ein Rhythmus wieder wichtig. Es nützt nicht, wenn man beruflich gestresst ist und dann gestresst zum Sport rennt. Das kann sogar das Gegenteil erzeugen. Balance wäre schön. Auch Eustress, also guter Stress, kann sich negativ auswirken. Laufen wir ständig Marathon, kann sich auch dieser Eustress negativ auswirken. Deswegen ist es wichtig, dass sich Stress und entspannte Phasen – im Sport auch Regenerationsphasen genannt – bewusst abwechseln. Viele wissen auch gar nicht mehr was das heißt, einfach mal zu Ruhe kommen. Der Herzmuskel braucht Kraft aber auch Entspannung, damit er sich auch wieder gut ausdehnen kann. Funktioniert die Ausdehnung, also die Entspannungsphase des Herzmuskels, nicht mehr kann er sich nicht mehr richtig füllen. Auch so kann die Funktion des Herzens negativ beeinflusst werden.
Auch Entspannung bzw. Regeneration kann man lernen, wie z. B. Atemübungen, Meditation, Yoga, TaiChi, autogenes Training etc. – oft bedarf es auch hierzu einer ähnliche Disziplin wie beim Lernen und Integrieren regelmäßiger Bewegung.
Mehr zu Frau Dr. Henne: www.internisten-am-klosterstern.de und www.privatkardiologie.de
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